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Neulich hat mich ein Kunde gebeten, ein Excel-Sheet abzugeben. Das hat mich unglaublich gestresst. Ich habe die Sache zwei Tage lang vor mir hergeschoben und deswegen schlecht geschlafen. Ich kann das nämlich überhaupt nicht. Ich gebe es zu, und ich werde auch gar nicht so tun, als würde ich Programme wie Excel oder PowerPoint auch nur ansatzweise beherrschen. Ich habe aber eine Freundin, die super in Excel ist. Sie muss mir nach Feierabend irgendwelche Excels zusammenbauen. Natürlich mache ich die Tabellen regelmäßig kaputt, und sie muss die wieder in Ordnung bringen. Sie denkt jetzt wahrscheinlich oft darüber nach, wie man eine aus zwei Spalten und nur einer Formel bestehende Tafel kaputt bekommt. Gut, dass sie mich grundsätzlich mag.

 

Ich könnte auch meinen Freund bitten, mir zu helfen. Er kann so etwas besonders gut. Wir befinden uns aber noch in der Phase unserer Beziehung, in der es mir wichtig ist, dass er mich attraktiv findet.

 

Ich habe versucht, ein Tutorial auf TikTok zu finden, um zu verstehen, wie ich gewisse Excel-Probleme eventuell selbst lösen könnte. Das einzige Resultat ist, dass ich mir damit den Algorithmus verschissen habe. Nun sehe ich statt lustiger Videos, in denen Menschen ausrutschen und hinfallen, Filme über Excel-Hacks.

 

Ich habe kurz in einer Bank gearbeitet. Dort haben die Leute wahnsinnig viele Spreadsheets und Präsentationen produziert. Jedes Mal, wenn etwas erledigt werden musste, hat sich jemand hingesetzt und direkt eine Datei erstellt. Es wurden dabei Charts in Excel aufgebaut, extrahiert und anschließend in ein Slide kopiert. Meistens passte das Diagramm nicht ins Raster, das sich eine Agentur beim Erstellen des Mastertemplates ausgedacht hatte. Vielleicht denken die Menschen, die so etwas tun, in dem Moment, dass der Beamer das hinterher trotzdem projiziert. Irgendwie. Durch die Decke. Oder bis in die Tiefgarage. Man weiß es nicht.

 

Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass es grundsätzlich besser ist, sorgfältig nachzudenken, bevor man in digitalen Aktivismus verfällt. „Erst denken, dann handeln“, hieß das in der Grundschule. Ich habe diese Lektion gelernt, als ich – meiner mathematischen Unzulänglichkeiten schon damals zutiefst bewusst – voller Stolz die Matheprüfung nach vorne zum Lehrer brachte und erst danach merkte, dass es noch eine Rückseite gab. Ich frage mich, wie ich es überhaupt in eine Bank geschafft habe. Wahrscheinlich weil man mich nett fand. Eine Person aus dem Controlling hat versucht, mir Excel zu erklären. Sie gab auf. Ich habe in einem Buch über Neurolinguistik gelesen, dass in meinem Alter bestimmte Hirnstränge myelinisieren. Dadurch lernt man nur mehr langsam.

 

Ich frage mich auch, wieso Menschen in PowerPoints immer so kleine Schriftsätze benutzen. Vielleicht vergessen sie im Eifer des Gefechts, dass man theoretisch unendlich viele Slides einfügen könnte. Bei Papier ist das schwierig, aber digital ergeben sich grenzenlose Möglichkeiten.

 

Wie gesagt: Excel und das alles kann ich nicht. Dafür kann ich aber Anderes sehr gut. Zum Beispiel Dinge auf ein Blatt Papier schreiben. Ich bin Literaturwissenschaftler. In dem Bereich hat Papier einen besonderen Stellenwert. Das geht so weit, dass Doktorarbeiten in Zeiten immenser Papierknappheit immer noch mehrfach ausgedruckt abgegeben werden müssen. Ich finde, es sollte wieder mehr auf Papier geschrieben werden. Dann würden die Leute vielleicht besser nachdenken, bevor sie anfangen zu arbeiten. Ich kann auch sehr gut Clementinen anschälen. Obwohl ich kurze Fingernägel habe. Manche Menschen können das komischerweise überhaupt nicht.

 

Mein Grafiker, der Peter, kann auch kein Excel. Das beruhigt mich ein bisschen. Denn er ist viel besonnener und genauer als ich. Er hat ein MacBook und kann darauf in Numbers Tabellen erstellen. Das kannte ich vorher auch nicht. Die kann man sharen und dann gemeinsam daran arbeiten. Natürlich nur, wenn man noch weiß, mit welcher Mailadresse man seine Apple ID verknüpft hat. Die meisten können sich an so etwas nicht mehr erinnern. Aber das Thema führt jetzt zu weit.

 

Peter hat mir erklärt, dass Grafiker kein PowerPoint beherrschen, weil das in deren Studium nicht vorkommt. Deswegen macht Peter Präsentationen für Kunden immer in Keynote. Das ist auch ein Apple-Programm, in dem man zusammenarbeiten kann. Am Ende kann der Kunde seine Präsentation auch selbst ändern. Natürlich macht er dabei alles kaputt und sagt dann, das sei schon so gewesen, oder er behauptet, er habe gar nichts gemacht. Ich raste in solchen Situationen schnell aus. Peter nicht. Er sagt „nun gut …, lass uns lieber ein PDF abgeben“ und flickt die Präsentation wieder. Gut, dass Peter Menschen grundsätzlich mag.

 

Ich habe meiner Freundin diesen Text zum Korrekturlesen gegeben. Sie hat als Erstes moniert, dass ich überall „Exel“ anstatt „Excel“ geschrieben habe. Ich habe das jetzt korrigiert. Ein anderer Mensch, der auch sehr gut Excel kann, meinte, ich solle noch erwähnen, dass Apple mir immense Summen als Werbepartner zur Verfügung gestellt hat und dass ich mit dem Geld jetzt einen Excel-Kurs machen soll.

 

Ich danke meinen Freunden für die vielen guten Ratschläge, die ich meistens nicht befolge: Ich liebe euch. Bitte gebt nicht auf